Need for speed: Customer Journey Analytics

10
Sep

Nach den ersten beiden Beiträgen zu Customer Journey Management im Rahmen des CEX Trendradars – eine gemeinsame Entwicklung von Prof. Dr. Nils Hafner, Hochschule Luzern und Marketing Resultant – geht es heute weiter mit Customer Journey Analytics. Customer Journey Analytics und Customer Journey Management sind eng miteinander verflochten. Ohne Daten und entsprechende Analysen lässt sich Customer Journey Management nicht bewerkstelligen.

Können Sie sich noch daran erinnern, als Sie ein Schuhgeschäft betreten, ein Paar wasserdichte Trekking-Wanderschuhe gekauft und sich dann auf den Weg gemacht haben? Nicht ganz einfach in diesen Zeiten. Customer Journeys können sich über Nacht ändern und die einzige Garantie ist, dass die heutige Customer Journey nicht wie die von gestern aussieht – und die Customer Journey von morgen wird sicherlich noch einmal anders aussehen.

Wichtig ist es für Unternehmen folglich, die kritischen Stellhebel des Kundenerlebnisses zu identifizieren, die den größten Einfluss auf die Ergebnisse haben. Mit Ergebnissen meine ich

  • Ergebnisse, die für den Kunden (Customer Performance Indicator) wichtig sind
  • und welchen, die fürs Unternehmen (KPI´s) wichtig sind.

Den Unterschied zwischen diesen beiden Messgrößen habe ich im 2. Teil des Beitrages Customer Journey Management geschildert. https://marketing-resultant.de/customer-journey-management-ist-das-neue-produkt-deep-dive-teil-2/

Um kritische Kundenerlebnisse entlang der Customer Journey zu identifizieren, um Änderungen im Kundenverhalten zu erkennen, benötigt es Daten und deren Analyse. Das klingt nicht nach einer besonders schwierigen Herausforderung, da die eingesetzten Systeme und Tools für den Kundendialog, in Marketing, Vertrieb und Service jedes für sich in der Regel große Menge Daten produzieren. Jede Menge Daten, die allerdings keinen Bezug zu einer Kundenreise haben, sondern isoliert einen völlig anderen Ansatz verfolgen und selten intelligent miteinander verknüpft sind. Ein Chat-System z.B. gibt dem Unternehmen Auskunft darüber wie viele Kunden im Zeitverlauf den Chat auf einer Website nutzen, wie lange die durchschnittliche Session dauert und welche Anfragen gestellt wurden. Was Kunden vor dem Aufruf des Chats und im weiteren Verlauf der Kundenreise unternommen haben, wonach sie gesucht haben, wo sie steckengeblieben sind, ist dann wiederum in  anderen Systemen gespeichert. Die Kunst besteht darin die Daten aus unterschiedlichen Systemen und in unterschiedlichen Formaten zeitnah in System zu überführen, um die gesamthafte Analyse durchzuführen. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht dies:

Customer Journey Analytics und Echtzeitempfehlung auf Basis des involve.ai Systems

Customer Journey Analytics und Echtzeitempfehlung auf Basis des involve.ai Systems. Quelle: https://www.involve.ai/

Customer Journey Analytics: Optimierung der Kundenreise als Ziel

Dies ist jedoch die entscheidende Frage: Wie ist der Kunde mit dem Verlauf der Reise zufrieden und nicht, wie performant ist ein einzelner Touchpoint. Kunden beurteilen die Kundenreise gesamthaft und nicht isoliert nach einzelnen Erlebnissen. Die Unternehmensberatung McKinsey hat dies bereits 2016 analysiert und publiziert.

“To maximize customer satisfaction, companies have long emphasized touchpoints. But doing so can divert attention from the more important issue: the customer’s end-to-end journey”.

McKinsey 2016: https://www.mckinsey.com/business-functions/marketing-and-sales/our-insights/from-touchpoints-to-journeys-seeing-the-world-as-customers-do

 

Customer Journey Analytics ist als Analyseinstrument von Customer Journeys im Zeitverlauf somit eine unabdingbare Voraussetzung für die Gestaltung und Optimierung. Die Erfassung erfolgskritischer Verläufe , die Visualisierung der Dynamik und die Bereitstellung von Handlungsempfehlungen  sind drei wesentliche Aufgaben. Customer Journey Analytics wirkt damit den organisatorischen Defiziten vieler Unternehmen entgegen:

  • abteilungs- und technologische Silos hindern Unternehmen daran, ein umfassendes Verständnis für den Kunden und seine Bedürfnisse zu erlangen.
  • Fehlende Echtzeitdaten hindern die Unternehmen daran, auf Basis der Analysen zeitnah zu handeln und Customer Journeys zu optimieren

Eine wirksame Customer Journey Analytics Plattform umfasst alle relevanten Touchpoints und bezieht den gesamten Kontext aus dem der Kunde agiert mit ein. Wichtig dabei ist eine end to end Betrachtung der Customer Journeys; also keine isolierte und fragementierte Analyse einzelner Abschnitte wie z.B. die Onboarding Customer Journey.

Ein Herausforderung für diesen Ansatz stellt die kanalübergreifende Customer Journey-Analyse dar. Analog und Digital. Die Mehrzahl der Systeme für die Analyse der Customer Journeys beschränkt  sich auf die Analyse der digitalen Touchpoints; das Erstellen einer zusammenhängenden Customer Journey welche auch das Ladengeschäft, die Niederlassung umfasst, ist mit den Systemen oft nicht möglich. So entstehen blinde Flecken, die keine end to end Betrachtung ermöglichen. Für eine effektive Orchestrierung der Customer Journey ist jedoch eine gesamthafte Betrachtung unerlässlich.

Im Kern geht es um die Fähigkeit, große Datenmengen in Echtzeit zu analysieren, Customer Journeys zu visualisieren, Muster, Trends, Anomalien zu erkennen und den CX-Verantwortlichen Daten für eine Optimierung und Individualisierung zu liefern. Und zwar im laufenden Betrieb. Eine interessante Anwendung für Customer Journey Analytics ist Optimierung mit unterschiedlichen Touchpoints um den Marketing Mix zu optimieren, die Reichweite von Kampagnen zu erhöhen.

Optimierung des Marketingmix mit unterschiedlichen Customer Journey Kombinationen. Quelle: https://www.touch361.org/

Optimierung des Marketingmix mit unterschiedlichen Customer Journey Kombinationen. Quelle: https://www.touch361.org/

Hyperpersonalisierung auf Basis von Customer Journey Analytics und predictive analytics

Ein weiterer Aspekt ist neben der Fähigkeit die Customer Journey zu optimieren, die Individualisierung des Kundenerlebnisses. Auf der Basis der analysierten Daten der Customer Journey und den Daten aus den CRM Systemen, Interaktions- und Transaktionsdaten des einzelnen Kunden. Hier hat sich der Begriff Hyperpersonalisierung etabliert. Zu der Analyse kommt also die Vorhersage hinzu. Predictive Analytics. Basierend auf dem Informationen zum Verhalten des Kunden, des Abgleichs mit anderen vergleichbaren Kunden, dem Kontext aus dem der Kunde agiert, lässt sich eine Prognose erstellen, welche den nächst besten Schritt in der Customer Journey für diesen einzelnen Kunden darstellt. Das kann in einem Fall ein Hinweis für den Mitarbeiter im Contact Center sein, den Kunden nach seiner Zufriedenheit zu befragen, weil das System errechnet hat, dass die Kündigerwahrscheinlichkeit sehr hoch ist. In einem anderen Fall kann es ein Hinweis auf eine spezielle Webinar Veranstaltung für Neukunden sein, die sich mit den ersten Schritten zur Nutzung des Produktes beschäftigt. Hier hat das System aus den Daten errechnet, dass in anderen vergleichbaren Fällen, die Nutzung durch die Kunden bereits sehr viel weiter fortgeschritten ist. Customer Journey Analytics und predictive analytics gehen Hand in Hand wenn es um die Personalisierung und Optimierung der Kundenreise in Echtzeit geht.

Klare Visualisierungen – z.B. durch Sankey Diagramme  – sind für die Analyse der Customer Journey elementar;  insbesondere für diejenigen, die andernfalls in der Komplexität der Daten verloren gehen. Und das trifft wohl für die meisten von uns zu.

Customer Journey Analytics auf Basis der SAP Lösung

Customer Journey Analytics auf Basis der SAP Lösung

Bei predictive analytics verhält es sich ein wenig anders;  es ist für Mitarbeiter im Contact Center oder im Customer Service nicht nachvollziehbar, wieso das CRM System in einem Kundengespräch einen Ansprachehinweis auf Kundenzufriedenheit gibt. Systeme wie z.B. Thunderhead greifen in Echtzeit auf unterschiedliche Systeme zu und errechnen dann einen individuellen nächsten Schritt, der am besten zu diesem Kunden in der aktuellen Situation passt. Hier kann und muss sich der Mitarbeiter auf das System verlassen. Ist anstelle des Menschen ein anderes System wie z.B. ein Chatbot im Einsatz, entzieht sich die Hyperpersonalisierung vollends dem Zugriff der Mitarbeiter. Man darf diese Technologien folglich nicht gänzlich unbeaufsichtigt lassen. Ständiges Monitoren und nachjustieren ist Pflicht.

Es ist entscheidend, dass Unternehmen verstehen, wie Kunden einkaufen,  Serviceanfragen stellen, welche Präferenzen sie haben, welche Punkte entlang der Kundenreise erfolgskritisch sind. Kunden teilen über Umfragen, soziale Netzwerke, digitales Feedback, Interviews,  Anrufe, E-Mails und Chat Ihre Eindrücke mit. All diese Interaktionen und auch das Verhalten auf Websites, etc enthalten die Antworten darauf, wie Sie als Unternehmen ihre Customer Journeys  verbessern können. Durch die Kombination mit predictive analytics lassen sich zudem die Kundenreisen an jedem touchpoint in Echtzeit individualisieren. Trotz der Potentiale die in der Technologie stecken, sei ein Wort der Warnung ausgesprochen. Menschen sind widersprüchlich, sprunghaft, launisch, nicht immer vorhersehbar und komplex in ihrem Verhalten. Ein gut ausgebildeter Mitarbeiter mit Einfühlungsvermögen kann in einer Situation zum Schluss kommen, den Empfehlungen des Systems nicht zu folgen und eine andere Entscheidung als das predictive analytics System für die Fortführung des Dialogs zu treffen. Predictive Analytics und Hypersonalisierung haben ihre Grenzen. Und genau in diesen Situationen können Menschen ihre Stärken ausspielen.

 

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