CX heißt jetzt: Dicke Bretter bohren

18
Jun

CX heißt jetzt: Dicke Bretter bohren klingt nicht nach einem sehr sexy Thema. Eher nach viel und mühsamer Arbeit. Ja, das ist durchaus so gewollt und wohl auch dringend notwendig.

Im CEX Trendradar haben wir für dieses Jahr die Überschrift gewählt: CX ist im Management angekommen. Das ist die gute Nachricht. Erkenntnis und Bewusstsein im Management ist eine Grundvoraussetzung. Und die Philosophie von Customer Experience Management als strategischem Differenzierungsfaktor wird erkannt.  Die Initiativen und Projekte, die bereits gestartet wurden, bekommen nun den Management Segen von oben. Das macht ja auch vieles einfacher. Die ersten Schritte, die viele im Customer Experience gegangen sind, waren auch in der Tat einfach. Customer Journey Mapping – habe ich gelegentlich schon mal als Einstiegsdroge ins CX bezeichnet – tut niemanden weh. Eine Kundenreise zu visualisieren ist eine nützliche Übung um abteilungsübergreifend das Bewusstsein für die Sicht des Kunden – also von Aussen nach Innen – zu wecken. Man produziert einige ansprechende Customer Journeys in einem Mapping Programm und dann….   Dann wird es mühsam und schwierig. Wenn man Customer Journeys konsequent von aussen nach innen – ausgerichtet an der Strategie – umsetzen will, geht es ans Eingemachte des Unternehmens.

Der Weg vom kundenorientierten zum Customer Journey orientierten Unternehmen ist einfach; der Weg vom Customer Journey orientierten zum kundenzentrierten Unternehmen ist mühsam

Marketing, Vertrieb, IT und Customer Service müssen sich zusammenraufen. Wer hat die Hoheit über die Customer Journey? Eine Customer Journey macht bekanntlich nicht an der Abteilungsgrenze Halt und eine Entscheidung des Marketings mag nun aus einer übergeordneten Customer Journey Sicht keinen Sinn ergeben. Im schlimmsten Fall kommen durch die Customer Journey Sichtweise nun die existierenden Zielkonflikte zwischen den Abteilungen erst richtig zu Tage. Mit Zielkonflikten meine ich u.a. die Leistungsvereinbarungen, die mit den Führungskräften in Marketing, Vertrieb und Service getroffen werden. Die sind abteilungsbezogen erstellt worden; nicht aber aus einer end-to-end Sicht Customer Journey bezogen. Eine Führungskraft handelt demzufolge in bestimmten Fällen entgegen der kundenzentrierten  Konzeption um seinen eigenen Leistungsbonus zu erreichen. Menschlich verständlich, nachvollziehbar und vom Unternehmen ursprünglich ja auch so gewollt. Und jetzt sind wir bei den dicken Brettern. Unternehmen können nicht kundenzentriert agieren ohne nicht auch die Organisation und die Prozesse anzufassen. Und eine Organisation neu aufzustellen – in unserem Falle kundenzentriert – ist nun mal ein andere Herausforderung als eine hübsche „Tapete“ mit einer Customer Journey Map zu produzieren. Bislang gibt es nur wenige Unternehmen, die in aller Konsequenz dann auch die dicken Bretter bohren. Der OTTO Versand in Hamburg hat sich entschieden, Marketing und Vertrieb zusammenzulegen. Niemand soll sich hier einer Illusion hingeben. Eine solche grundlegende Änderung ruft Ängste, Widerstände, Skepsis bei den betroffenen Mitarbeitern hervor. Damit umzugehen  – also ein Change Management Programm umzusetzen – ist keine triviale Angelegenheit. Torben Rick hat diese Herausforderungen in seiner Grafik ganz anschaulich dargestellt

CX heißt jetzt: Dicke Bretter bohren . Prozesse, People und Technology

Und das ist weitem nicht das einzige dicke Brett was es zu bohren gilt. Wenn ich Kunden entlang der Customer Journey an jedem Touchpoint personalisiert ansprechen will, dann braucht es eine ziemlich komplexe CX Architektur, die im Idealfall „composable“ aufgestellt ist und in Echtzeit agiert.

Composable heisst übersetzt zusammensetzbar und steht für einen aktuell generellen Trend, IT Architekturen in den Unternehmen zu überdenken. Beim Aufbau eines CX-Tech-Stacks streben die Unternehmen an,  ein Ökosystem aus einzelnen Systemen, die ihre Daten über APIs austauschen, aufzubauen. Man kann darunter eine Architektur einer CX-Plattform verstehen, die mit kleinen entkoppelten, voneinander abhängigen Diensten arbeitet.

Dieser modulare Aufbau ermöglicht es einem Unternehmen, sich je nach Bedarf neu zu organisieren und auszurichten, je nach externen oder internen Faktoren wie z. B. veränderten Customer Journeys, neuen Touchpoints und neuen Marktbearbeitungs-Strategien. Den grundlegenden Aufbau und das Zusammenspiel sieht man in der nachfolgenden Abbildung.

CX Tech Stack. Quelle: Marketing Resultant

CX Tech Stack. Quelle: Marketing Resultant

Die grundsätzlichen Anforderungen an eine solche Struktur sind:

  • Unterstützung von Microservices: Einzelne Teile von Geschäftsfunktionen, die unabhängig voneinander entwickelt, bereitgestellt und verwaltet werden.
  • API first Konzeption: Die Funktionalität wird über eine API bereitgestellt. Aus CX Sicht bedeutet dies gleichzeitig oft in Echtzeit.
  • Cloud-nativ: SaaS, die die Cloud nutzen, über Speicherung und Hosting hinaus, einschließlich elastischer Skalierung und automatischer Aktualisierung.
  • headless:Die Front-End-Präsentation an den Touchpoints ist von der Back-End-Logik und der Programmiersprache entkoppelt und ist unabhängig von Frameworks.

Wenn Sie jetzt als Leser ins Grübeln kommen und fragen:

„Kommen jetzt noch mehr dicke Bretter?

Lohnt sich der ganze Wirbel um CX überhaupt?

Wir haben doch schon genug mit Digitalisierung und unserm Customer Service zu tun.“

Dann lautet die Antwort:

Ja, es sind noch mehr dicke Bretter zu bohren

Ja, es lohnt sich nicht nur sondern ist überlebensnotwendig

Customer Service und CX sind nicht dasselbe

Niemand hat gesagt, dass CX einfach ist. Oder doch? Leider doch. Es sind auch leider die immer gleichen, üblichen Verdächtigen, die so etwas in die Welt hinaus posaunen. Ein wenig Fassadenmalerei Im Marketing, ein bisschen Software, die auf Knopfdruck alles zaubert, …. Die Leichtigkeit, die da suggeriert worden ist, hat CX geschadet.

Vielleicht war hier auch der Wunsch der Vater des Gedankens, vielleicht haben es einige Verantwortliche schlicht unterschätzt. Vielleicht war es auch eine hübsche Form des Selbstbetrugs.

Die CX Leichtigkeits-Apostel müssen aufhören, den Verantwortlichen etwas vorzugaukeln. Customer Experience ist harte Arbeit. Arbeit, die sich lohnt und gleichzeitig alternativlos ist. Wenn man sich zunehmend schwerer über Produkte differenzieren kann und der Kunde mehr Gewicht auf positive Erfahrungen legt und sein Kaufverhalten von den gemachten Erfahrungen abhängig macht, muss man die Notwendigkeit von CX nicht mehr diskutieren. Man kann sich auch nicht herausreden und den Blick auf den Customer Service richten und sagen: „Wir müssen uns auf den Customer Service konzentrieren. Das ist Aufgabe genug.“ CX und Customer Service sind nicht dasselbe. Aber beide sind notwendig.

Was ist Customer Experience?

Die Customer Experience ist die Summe aller Erfahrungen, die ein Kunde mit einem Unternehmen oder einer Marke macht. Sie umfasst die subjektive Bewertung der Erlebnisse des Kunden an den verschiedenen Kontaktpunkten (Touchpoints) während einer Customer Journey. Das Customer Experience Management versucht, die Kundenerlebnisse im Sinne positiver Erfahrungen zu beeinflussen.

Was ist Customer Service?

Customer Service umfasst sämtliche Serviceleistungen, die auf die Kundenbetreuung ausgerichtet sind und langfristig die Kundebindung verbessern sollen. Es wird zwischen Pre- Sales Service, Kundendienst vor dem Kauf, Kundendienst während dem Kauf und After Sales Service, Kundendienst nach dem Kauf, unterschieden. Customer Service ist in der Regel eher reaktiv

Ganz schlimm stösst dann auf, wenn dann auch noch jemand behauptet; es reiche auch ein durchschnittlicher Customer Service. So ist Herrn Prof. Matthias Gouthier von der Universität Koblenz auf Linkedin ergangen. Meine Antwort finden Sie hier. https://www.linkedin.com/pulse/customer-service-two-kinds-class-first-harald-henn/

Nein, Durchschnitt reicht nicht. Weder bei CX noch im Customer Service.

Es gibt genügend Leuchtturmprojekte im Customer Experience Umfeld, die sehr gute Ergebnisse vorzeigen können. Einige davon haben wir im CEX Trendradar vorgestellt. Keines der Unternehmen hat in den Interviews behauptet, es sei ein Spaziergang gewesen. Alle haben sich den Erfolg hart erarbeitet. Und es hat sich für alle gelohnt. Also: CX heißt jetzt: Dicke Bretter bohren.

Hier geht es zu den Downloadlinks für den CEX Trendradar:

https://www.sap.com/swiss/cmp/cx/cex-trendradar-2022/index.html

https://services.bsi-software.com/studio/public/e/l/cex-trendradar-studie?source=cex

https://vier.ai/cex-trendradar-2022/

Hier geht es zu Blogbeiträgen, die einzelne CX Themen vertiefen:

https://hafneroncrm.blogspot.com/

https://marketing-resultant.de/blog-digitaler-kundenservice-call-center-und-crm/

 

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