Customer Service 2020 – Menschlichkeit statt Menschen

11
Jan

Customer Service 2020. Das ist vorwiegend eine technologiegetriebene  Diskussion. Chatbots, AI, RPA, Self-Service, Digitalisierung und Automatisierung  dominieren die Diskussion. Der Glaube an die Wunderkräfte des AI-Zaubertranks ist ungebrochen. Technologien im Customer Service sind ein Allheilmittel. Für besseren Service, Kostensenkung und vieles mehr. Gleichzeitig werden viele Verantwortliche nicht müde zu betonen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, dass Chatbots keine Mitarbeiter ersetzen, der Kunde/Mensch im Mittelpunkt steht. Und damit dies auch das richtige Gewicht erhält, tragen Konferenzen, Messen im Untertitel ganz bewusst Slogans wie z.B. Der Mensch im Mittelpunkt. Mir gefällt diese Diskussion nicht. Sie wird oft oberflächlich geführt und der Mensch ist dann doch letztendlich eine betriebswirtschaftliche Ware; ein Produktionsfaktor für Call Center und den Customer Service. Und der Kundenmensch ist Teil einer kalkulierbaren Zielgruppe. Es geht vordergründig um Menschen; mir fehlt die Menschlichkeit in diesem Thema.

  

Wie soll unsere Art der Kommunikation mit Kunden im Customer Service 2020 aussehen? Wie sollen Mitarbeiter im Unternehmen sich organisieren? Wie wollen wir miteinander umgehen? Aktuell treiben die technologischen Entwicklungen die Unternehmen vor sich her. Technologien bestimmen die Customer Service Strategien und die sich daraus ableitenden Organisations-Modelle, Kommunikations-Strategien. Oft ohne Reflektion, auf das menschliche Miteinander im Unternehmen und mit den Kunden. Und ohne Berücksichtigung der langfristigen Auswirkungen auf die Strategie des Unternehmens.

Customer Service 2020: Automatisierung ist kein Selbstzweck

Entscheidungen im Customer Service werden sehr häufig nach betriebswirtschaftlich sofort messbaren Grössen wie Kosteneinsparungen getroffen. Verständlich. Eine Senkung der operativen Kosten im Customer Service oder Call Center durch die Einführung von Automatisierungstechniken wir RPA oder kompletter Digitalisierung eines Prozesses um 30% ist ein kaum zu widerlegendes Argument. Überall sehen wir wie Selbstbedienungs-Konzepte den Mitarbeiter verdrängen. Tankstelle, Bank, Check-in bei der Fluggesellschaft sind zu einem selbstverständlichen Teil unseres Lebens geworden über den wir nicht mehr nachdenken. Mittlerweile haben diese Konzepte auch Einzug bei Fastfood Ketten wie McDonalds gehalten. Keine Wartezeiten, schneller Service sind gewichtige Argumente. Auch der Autor spricht sich in keinster Weise frei davon. Ganz im Gegenteil. Ich geniesse es als ungeduldiger Zeitgenosse wenn ein Self-Service funktioniert und mir damit Zeit schenkt.

Customer Service 2020: Self-Service Terminals Lufthansa

Customer Service 2020 Self-Service Terminals Lufthansa

Was sind jedoch die Konsequenzen wenn wir weiterhin alles automatisieren und digitalisieren?

Automatisierung: Das kann ein zweischneidiges Schwert werden. Wiederkehrende, monotone, einfache Aufgaben zu automatisieren ist einleuchtend. Es entlastet den Mitarbeiter und senkt die Kosten im Customer Service. Nichts, was es daran zu beanstanden gäbe. Doch Unternehmen neigen dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Verlockungen vieler Software Anbieter,  Kosteneinsparungen durch Automatisierung zu realisieren, werden dann auch auf den Dialog von Mensch zu Mensch übertragen. Und hier wird die Entscheidung für die Einführung solcher Technologien dann schwierig und möglicherweise sogar gefährlich.

Greifen wir das Beispiel von McDonalds noch einmal auf . Das Bestellen per App ist möglich und McDonalds hat Self-Service Terminals in seinen Restaurants eingeführt, bei denen der Kunden den Bestellvorgang und das Bezahlen selbst übernimmt. Das geht schneller und spart Kosten, kann man argumentieren. Stimmt. Kurzfristig auf jeden Fall. Analog führen viele Unternehmen Chatbots ein, die den Kundendialog automatisieren. Zunächst für einfache Abfragen, aber der Hunger der Unternehmen nach Kosteneinsparungen im Service ist riesig. Als Unternehmen muss man die Auswirkungen die eine solche Strategie auf die langfristige Loyalität hat, zumindest sehr genau analysieren. Bei Amazon besteht eine Digitale Kundenloyalität kann man entgegenhalten. Amazon hat kaum menschlichen Kontakt zu seinen Kunden und weist gleichzeitig eine große Kundentreue auf. Das Amazon Geschäftsmodell lässt sich jedoch nicht 1:1 auf alle Unternehmen übertragen. Und was passiert, wenn man die „Entmenschlichung der Prozesse“ in großem Stil auf weitere Prozesse ausweitet?

Menschliche Kontakte: der Klebstoff für langfristige Kundenbeziehungen und gesunde Organisationen.

Im Buch Power of Moments https://heathbrothers.com/the-power-of-moments/ wird sehr anschaulich beschrieben, wie bestimmte Momente in unserem Leben auf uns wirken. Wir erinnern uns als Erwachsene an unseren ersten Schultag, die Abiturfeier, den ersten Flug alleine ohne  Eltern nach Australien,…. An den 18. Geburtstag als die Freunde uns mit einer Party und Live Musik überraschten, den ersten Tag in der neuen Firma als wir mit Blumenstrauss auf unserem Schreibtisch vom Geschäftsführer begrüsst wurden. An das Schulterklopfen von Kollegen, weil wir mit viel Engagement eine schwierige Situation bereinigt haben.  Je nachdem wie positiv die „Gestaltung“ dieser Erlebnisse war, desto länger, intensiver und positiver bleiben sie uns im Gedächtnis. Wenn wir es als Unternehmen schaffen, viele solcher emotional berührender, positiver Momente zu „produzieren“, dann erhöht dies die Chance für eine langfristige Kundenbindung. Das Gleiche gilt analog für die Mitarbeiterbindung, den Zusammenhalt.

Power of Moments. https://heathbrothers.com/the-power-of-moments/

Power of Moments.

Die Entwicklung in unserer Gesellschaft geht indes unaufhaltsam in die Richtung, Menschen in Support Prozessen durch „Artifical Humans“ , Avatare, etc zu ersetzen. https://www.techrepublic.com/article/ces-2020-neon-is-an-artificial-human-that-samsung-wants-to-be-your-friend/  Chatbots erhalten „menschliche“ Züge, und sollen Menschlichkeit suggerieren.  https://www.nuance.com/omni-channel-customer-engagement/digital/virtual-assistant/nina.html

Customer Service 2020 : Nina: Chatbot von Nuance

Customer Service 2020 Nina: Chatbot von Nuance

Machen wir uns nichts vor: Kosteneinsparungen, Convenience durch Automatisierung und Digitalisierung kommen mit einem dicken Preisschild . Je weniger wir uns mit Menschen auseinander setzen (müssen), desto grösser die Gefahr, dass wir Mitgefühl und Menschlichkeit verlernen. Dass wir emotional verkümmern und zu Sozialautisten degenerieren. Für die Organisation eines Unternehmen kann dies eine ernsthafte, lebensbedrohende Gefahr darstellen. Wenn  sich kaum jemand für die Interessen, Sorgen und Nöte seiner Kollegen interessiert, wenn die Hilfe auf dem kleinen Dienstweg ausserhalb der offiziellen Prozesse unter geschätzten Kollegen nicht mehr stattfindet, wenn es nicht mehr menschelt,  wird es eng für die Unternehmen.

Die Kernfrage im Customer Service 2020 und darüberhinaus lautet: Wie schaffen wir eine gesunde Balance zwischen Menschlichkeit und notwendiger Digitalisierung und Automatisierung.

Weitere Informationen zu Customer Experience und Digital Customer Service:

https://marketing-resultant.de/digital-customer-service-beratung/

https://marketing-resultant.de/customer-experience-management/

Bildnachweis: Self-Service Terminal Frankfurter Flughafen: imageBROKER / Alamy Stock Foto

 

 

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