„Agilität“ – der Begriff steht für Flexibilität und die Fähigkeit, notwendige Veränderungen proaktiv, antizipativ und initiativ einzuführen. Mal ehrlich: Wer würde gängige Sprachdialogsysteme, die sich meist durch starre Menüsysteme auszeichnen, mit dem Schlagwort „Agilität“ in Verbindung bringen? Voicebots sind jedoch häufig die ersten telefonischen Ansprechpartner und damit plakative Aushängeschilder: Schreibt sich ein Unternehmen Agilität auf die Fahne, müssen daher gerade Voicebots vorangehen und für Agilität stehen.
Ein Gastbeitrag von Dr. Martin Schröder, Geschäftsführer der Sympalog Voice Solutions GmbH
„Der Aufbau einer funktionierenden IVR erfordert von der Organisation ein Jonglieren mit mehreren Dimensionen – von sich ständig weiterentwickelnden Kundenbedürfnissen bis hin zu sich schnell verändernden Produkt- und Dienstleistungs- portfolios.“Eric Buesing, McKinsey
Agilität steht bei den meisten Sprachdialogsystemen noch ganz am Anfang – häufig steht nicht einmal fest, in wessen Zuständigkeit das Sprachdialogsystem fällt. Contact-Center-Manager sehen das System meist als eine vorgelagerte (technische) Komponente, und eingehende Anrufe fallen erst dann in ihren Wahrnehmungsbereich, wenn diese in ein Wartefeld eingehen.
Aus Kundensicht stellt es sich jedoch ganz anders dar: Für sie ist das Sprachdialogsystem der Erstkontakt zum Unternehmen. Ob die Kunden den gesamten Telefonkontakt positiv bewerten, hängt daher zu einem großen Teil von der Qualität des Sprachdialogsystems ab.
Das Anruferverhalten analysieren
Bei gängigen Sprachdialogsystemen lösen meist Anforderungen von außen Veränderungen aus – zum Beispiel wenn neue Produkte eingeführt werden oder das Team umstrukturiert wird. Eine Analyse der Kennzahlen, die das Sprachdialogsystem liefert, ist dagegen leider oft nur rudimentär und beschränkt sich auf die Abbrecherquote oder wie häufig verschiedene Optionen aufgerufen wurden.
Die Auswertung des Anruferverhaltens gibt aber interessante Hinweise auf Schwachstellen des Systems: An welcher Stelle legte der Anrufer auf? Welche Fragen mussten wiederholt werden, und führte die Wiederholung dann zum Erfolg? Wann wurde eine Ansage unterbrochen? Die Daten zur Analyse liefert ein agiles Sprachdialogsystem anhand einer detaillierten Aufzeichnung der einzelnen Dialogschritte.
Auch die Ergebnisse der Spracherkennung sollten einer genauen Auswertung unterliegen. Dazu ist die Aufzeichnung des „tatsächlich Gesagten“ notwendig, entweder durch eine automatische Verschriftung der Aufzeichnungen oder durch manuelle Stichproben – die Zustimmung des Anrufers natürlich vorausgesetzt.
Der nächste Schritt ist, Probleme nicht nur auf der Basis der gesammelten Daten zu erkennen, sondern anhand von Predictive Analytics Voraussagen zu treffen und Projektionen zu ermitteln, die wertvolle Ansatzpunkte geben. So entsteht schon im Voraus ein optimales Sprachdialogsystem, das Veränderungen zügig und reibungslos umsetzen kann.
Automatisches Testen
Müssen komplexe Dialoge geändert werden, ist es kaum noch möglich, alle Folgen der Änderungen auf dem „Papier“ zu durchdenken. Manuelles Testen reicht nicht aus um sicherzustellen, dass die Änderungen keine negativen Auswirkungen auf bereits bestehende Teile haben. Noch mehr gilt das für Anpassungen am Spracherkenner: Ohne umfangreiche Tests ist eine „Verschlimmbesserung“ nicht auszuschließen.
Agile Sprachdialogsysteme brauchen daher automatische Tests, die Dialoge immer wieder durchspielen und das Ergebnis auf Korrektheit überprüfen. Dies kann so weit gehen, dass das System die Testfälle im Sinne eines „nightly-build“ jede Nacht überprüft.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Unternehmen plante zusammen mit einem Partner eine größere Marketingaktion: Produkte beider Unternehmen sollten als Paket beworben werden. Eine größere Zahl von Anzeigen und Fernsehspots wurden zu diesem Zweck geschaltet, in denen nur eingeschränkt auf Vertragsdetails eingegangen wurde. Deshalb rechnete das Unternehmen mit einer deutlichen Zahl von Anrufern, die ausführlichere Informationen wünschten. Das bereits bestehende Sprachportal sollte daher so angepasst werden, dass diese Anrufe an eine separate Bearbeitungsgruppe weitergeleitet wurden, die sich sowohl aus internen als auch für diesen Zweck extern eingebundenen Mitarbeitern zusammensetzte.
Speziell zu dieser Marketingaktion veröffentlichte das Unternehmen eine gesonderte Telefonnummer, das zu einem separaten Dialogsystem führte. Doch aus der Erfahrung aus vorherigen Aktionen war bekannt, dass Anrufer häufig dennoch die „Haupteinwahlnummer“ wählen würden. Im ersten Schritt wurde daher – direkt nach der Begrüßung – eine weitere Frage in das bestehende Sprachportal eingefügt: Wünschen Sie genauere Informationen zu unserer aktuellen Aktion XY? So konnten nicht nur die Anrufer zum Thema der aktuellen Aktion von den sonstigen Anrufern separiert werden, sondern es entstand zudem ein zusätzlicher Werbeeffekt. Die Teamverantwortlichen konnten die Zusatzfrage jederzeit im laufenden Betrieb aktivieren bzw. deaktivieren, je nachdem, wie viele Anrufer die neue Aktion wählten. Sank der Anteil unter 10%, wurde die Ansage deaktiviert, bis weitere Anzeigen und Fernsehspots wieder zu neuen Anfragen führten.
Nachdem die Aktion gestartet war, stellte sich in einer Teambesprechung heraus, dass sich manche Anrufer bereits beinahe sicher zum Kauf der beworbenen Produkte entschlossen hatten und nur noch wenige Detailfragen vor demVertragsabschluss klären wollten, während andere allgemeine Informationen zu der Aktion suchten. Daraufhin beschloss das Team, dass die internen Mitarbeiter vermehrt die Kunden erhalten sollten, die sich bereits praktisch sicher zu einem Kauf entschlossen hatten, so dass – direkt nach der Klärung der Fragen – ein Vertragsabschluss im IT-System angestoßen werden konnte. Die externen Mitarbeiter sollten dahingegen hauptsächlich allgemeinere Anfragen bearbeiten. So wurden zwei weitere Fragen in das separate Dialogsystem eingefügt, anhand deren Antworten ermittelt werden konnte, ob der Anrufer kurz vor Vertragsabschluss stand oder nur allgemeine Informationen zur Aktion wünschte. In regelmäßigen Abständen wurde nun die Quote der Abschlüsse zwischen internen und externen Mitarbeitergruppen verglichen und daraus abgeleitet, inwieweit die Fragen von Bedeutung waren. Im Laufe der 6-wöchigen Aktion kam es so zu zwei weiteren Anpassungen.
Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, dass ein Sprachdialogsystem kein fertiges Produkt sein kann, sondern immer einen Prozess darstellt. Ein Prozess, der ständige Änderungen und Optimierungen erfordert – und daher eine Technik braucht, die agile Methoden unterstützt.
Möchten Sie mehr über agile Sprachdialogsysteme wissen? Laden Sie unser White Paper herunter unter https://www.sympalog.de/agile-sprachdialogsysteme/
Autoren-Info:
Dr. Martin Schröder widmet sich schon seit 20 Jahren dem Thema Sprachdialogsysteme. Seit 2003 ist er Geschäftsführer der Sympalog Voice Solutions GmbH, die zur Vermarktung der weltweit ersten natürlichsprachlichen Dialogsysteme gegründet wurde. Durch zahlreiche Projekte und Vorträge ist er ein ausgewiesener Experte für die Verarbeitung natürlich-gesprochener Sprache und der Gestaltung von Dialogsystemen.