Kundenservice-Strategie: Und was habe ich als Kunde davon?

14
Dez

Operative Hektik oder durchdachte Strategie? Wenn man 2015 ein wenig Revue passieren lässt, stellt man fest, dass im Kundenservice einiges ins Rollen gekommen ist. Umstellung auf VoiP Telefonanlagen, Professionalisierung in der E-Mail Kommunikation. Implementieren von Chat Lösungen auf Internet Seiten. Viele Initiativen sind bei genauerer Betrachtung Reaktionen auf Veränderungen im Kundenverhalten, Ersatzinvestitionen für überaltete und abgeschriebene Systeme. Und ein gehöriges Maß an Furcht vor den Auswirkungen der Digitalisierung ist allenthalben zu spüren. Nicht immer spezifisch lokalisierbar; google, amazon und Apple als potentielle Spielveränderer schwingen jedoch bei der Kundenservice-Strategie immer mit. Nicht wenige Unternehmen lassen sich vom Hype und unausweichlichen Markttrends vor sich hertreiben. Eine neue VoiP fähige ACD muss her. Mit Chat, Multichannel; Co-Browsing und Social-Media Integration. Und ein E-Mail Management System. Klar. Viel hilft viel. Und dann setzen wir eine neue Customer Engagement Strategie um, die eine bessere Customer Experience an allen touchpoints zur Folge hat. So, oder so ähnlich lässt sich die Strategie für die Kunden-Service Strategie umschreiben.

Je mehr sich Unternehmen hinter Anglizismen verstecken, desto eher muss man den Verdacht hegen, dass mit den Modewörtern gravierende strategische Mängel übertüncht werden. Beruhigungspillen für den Markt, die Mitarbeiter, die Aufsichtsgremien und die Kunden. Schaut her. Wir sind aktiv und gehen mit der Zeit.

Letztlich zählt bei einer Kundenservice Strategie jedoch nur eine Frage: „Was habe ich als Kunde davon?“ Nützt mir der Chat? Wird der Service durch ein neues E-Mail System besser? Damit Kunden mit dem Kundenservice zufrieden sind, gilt es, die nachfolgend aufgeführten 7 Stolperfallen zu vermeiden.

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Kunden erwarten einfachen, zeitsparenden Kundenservice über alle verfügbaren Medien und Kontaktpunkte hinweg.

  • Inkompetenz, Unwissenheit und Arroganz:

Viele Fragen von Kunden haben schon eine lange Vorgeschichte, bevor sie im Call Center per Anruf oder E-Mail landen. Meist haben die Kunden schon im Vorfeld google als erste Anlaufstelle genutzt, um ihr Problem zu lösen. Die richtige Formulierung der Frage bringt oft schon nützliche und gute Hinweise für die Lösung des Problems. Communities, Portale und Social Media Plattformen fangen einen Großteil der relativ einfachen Fragen im Vorfeld ab. Der Rest der Anrufe und E-Mails hat es jedoch für die Call Center Mitarbeiter in sich. Komplex und mit Vorgeschichte. Stoßen die Kunden dann auf Mitarbeiter, die diese Historie des Kunden ignorieren, selbst wenig an Kompetenz und Wissen für das Gespräch mitbringen und unzureichend von Systemen unterstützt werden, dann eskaliert die Situation sehr schnell. Nicht selten sind die Kunden besser vorbereitet und haben mehr Wissen zu einem Sachverhalt als die Mitarbeiter. Nicht wenige Mitarbeiter fühlen sich durch die „Kunden-Schlaumeier“ zudem in ihrer Berufsehre gekränkt. Patienten konfrontieren z.B. Ärzte mit den Herzfrequenz-Daten und Blutzucker-Werten und haben auch schon eine Idee zur Therapie. Nicht immer mag die Diagnose richtig sein; aber ein Zurückziehen auf den Standpunkt: „Ich bin hier der Experte! Ich habe 12 Semester Medizin studiert“ bringen keinen Fortschritt. und bilden keine gute Basis für empathische und zielführende Gespräche. Ob man es als Mitarbeiter nun mal mag oder nicht; Kunden kommen mit Vorwissen in das Gespräch und wollen ernstgenommen werden. Es verbleiben noch genügend komplexe Sachverhalte, bei denen sich die Mitarbeiter mit ihrem Wissen austoben können. Vorausgesetzt, das Unternehmen hat erkannt, dass zu einer zeitgemässen Kundenservice-Strategie auch ein aktuelles und gepflegtes Wissensmanagement System gehört. Kunden haben sehr wohl Verständnis dafür, dass ein Mitarbeiter auf Anhieb nicht alle Antworten zu den Sachverhalten weiß. Aber ein „internes google“ – ein Wissensmanagement System und das Einbinden der Kollegen in den Fachabteilungen gehört heute zum Pflichtprogramm. Neben den klassischen Wissensmanagement Systemen wie SABIO oder confluence werden Ansätze, die andere Kollegen intern in den Lösungsprozess einbeziehen, immer wichtiger. Slack oder Starmind um zwei Beispiele zu nennen.

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Slack: Messaging App für Teams

Die Gespräche im Call Center werden dabei länger und komplexer. Unternehmen wissen selten wie lange Kunden schon online waren bevor sie zum Hörer greifen und im Call Center anrufen. Den 3 Minuten Gesprächsdauer mit dem Agenten sind eventuell schon 25 Minuten intensives und zermürbendes Suchen nach Produktspezifikationen auf der Internetseite des Unternehmens vorangegangen. Telefon, Chat, Videochat sind oft der letzte Rettungsanker bevor der Kunde aufgibt. Allerdings muss sich das Selbstverständnis der Call Center ändern. Statt Kosteneffizienz – also viele kurze Gespräche mit möglichst gleicher Dauer durchzuführen – muss der Fokus auf dem Ergebnis liegen. Was zählt, ist Fortschritt im Prozess. Das gemeinsame Ausfüllen des Antrages, das Navigieren durch die Menüstruktur; kurz gesagt, was den Kunden eine Schritt nach vorne bringt. Da die einfachen Prozesse zunehmend digitalisiert werden, verbleiben die Navigations- und Lotsendienste im Call Center. Dies bedeutet eine Zunahme der Gesprächsdauer und der Komplexität. Solange dies für den Kunden insgesamt eine Zeitersparnis bedeutet und ihn unterstützt, rechnet sich die längere Gesprächsdauer für das Unternehmen.

  • Komplizierte, zeitfressende Prozesse

 

Zeit ist für Kunden ein extrem wertvolles Gut. Warteschlangen sind im Call Center genauso ein Ärgernis wie komplizierte, zeitfressende Prozesse auf den Webseiten des Unternehmens. Top Priorität für Kunden hat die Schnelligkeit im Kundenservice. Wer den Zeitaufwand für die Kundenminimiert, wer einfache, transparente Prozesse implementiert kann sich sicher sein, dass dies von den Kunden honoriert wird. Eine oft zitierte Studie aus den USA aus dem Jahr 2011 mit 75.000 Teilnehmern https://hbr.org/2010/07/stop-trying-to-delight-your-customers zeigt, dass es einen starken Zusammenhang zwischen Zeitaufwand des Kunden und seiner Loyalität gibt. Wie schaffen es Unternehmen Lösungen und Services anzubieten, die den Kunden das Leben einfacher machen und ihnen Zeit sparen? Hilfreich ist es, im „analogen“ und realen Leben nach gelungenen Beispielen für diese Denkhaltung zu suchen. ALDI – der Lebensmitteldiscounter ist ein solcher Best-Practice Leuchtturm. Jedes Produkt bei ALDI hat gleich mehrfach den barcode aufgedruckt. Am Boden, beiden Seiten. So gross, dass die Kassiererin die Ware mit verbundenen Augen über den Scanner ziehen könnte. Der Barcode wird beim ersten Mal erfasst. Das klingt nicht gerade nach einer genialen Serviceinnovation, ist es aber. Der Kassiervorgang pro Kunde ist im Vergleich zu den ALDI Mitbewerbern deutlich kürzer. ALDI spart Zeit. Kunden können sich darauf verlassen, dass Waren immer am gleichen Platz zu finden sind und dass das „Ausschecken“ schnell über die Bühne geht. Zeit ist wie gesagt ein kostbares Gut. Überträgt man dieses Prinzip auf andere Branchen und die digitalen Serviceangebote dann kommt man relativ rasch zu amazon als Best-Practice Beispiel für Zeitsparen und Bequemlichkeit. Wiederkehrende Bestellungen mit nur einem klick ausführen ist im Prinzip nichts anderes als das ALDI Zeitsparprinzip in die digitale Welt übertragen. amazon geht mit seinem neuen kindle Produkt noch einen Schritt weiter. Wie kann man einem Kunden schnell und wirksam helfen, wenn der sich auf der website „verlaufen“ hat? Wenn er gerne seine letzte Rechnung ausdrucken möchte, diese aber nicht findet? amazon hat schon immer einen guten E-Mail Service geboten; dies bedeutet jedoch einen gewissen Zeitverlust und den Wechsel des Kanals. Die neue mayday Funktion – übersetzt: SOS Ruf – ermöglicht es dem Kunden direkt aus seinem kindle heraus den Kundenservice um Hilfe zu bitten. Knopf drücken, ca. 10 sec warten und ein Service Mitarbeiter erscheint in einem Fenster auf dem tablet oder dem smartphone. Und der kann mir dann auf meinem Bildschirm zeigen wo ich das Gesuchte finde, es markieren mit mir sprechen. So, als schaut er mir über die Schulter und zeigt mir die Lösung. Eine andere Lösung kommt von toonimo aus Israel. toonimo ermöglicht es, den Kunden per Sprache, Bilder und visueller Elemente wie einen Lotsen an der Hand zu nehmen und ihn durch die einzelnen Prozess-Schritte zu führen.

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Toonimo: Lotsenprogram für den Kundenservice

  • Multikanal als Selbstzweck

 

Multikanal, Multichannel, Omnichannel; die Anbieter von Systemen überschlagen sich förmlich, wenn es darum geht, die Unternehmen von den Vorzügen ihrer Lösungen für eine – wie auch immer geartete Multikanal Strategie – zu überzeugen. Aber wie hat es Prof. Dr. Nils Hafner von der Hochschule Luzern in einem Beitrag für die Zeitschrift OnetoOne so treffend formuliert: „Omnichannel ist Bullshit.“ Und weiter: „Nicht alles, was technisch machbar ist, wollen Kunden auch nutzen.“ Kunden wollen kein Omnichannel sondern die Lösung für Ihr Problem. Jedes Medium, jeder Kontaktpunkt muss für den Kunden einen Nutzen bieten. Fakt ist: Kunden nutzen heute mehr Medien und Kontaktpunkte in der Interaktion. Fakt ist auch: Dem Smartphone kommt eine immer größer werdende Rolle dabei zu. Smartphone – der mobile Zugang zum Unternehmen ist absolut ein Muß. Wie man Multikanal Lösungen für Kunden nutzbringend einsetzt, zeigt z.B. die esurance Autoversicherung in den USA. Fast alle Versicherungen bieten ihren Kunden mittlerweile Apps an, um Verträge zu verwalten, Adressänderungen durchzuführen oder im Falle von Autoversicherungen Schadensmeldungen einzureichen. Die Apps sind gut gemeint aber nur selten gut gemacht. Warum denken so wenig Verantwortliche aus der Sicht der Kunden und schaffen Lösungen, die umfassend und einfach alle Servicewünsche des Kunden abdecken? Welcher Kunde möchte zwischen App, Telefon, E-mail und Postversand von Dokumenten hin und her jonglieren? esurance – die Autoversicherungstochter der Allstate Versicherung – hat für seine Kunden eine App konzipiert, die alle notwendigen Aktivitäten für eine Schadensmeldung abdeckt ohne dass der Kunde die App verlassen muss. Die Geolokalisierung des smartphones kümmert sich um den „Standort“ des Schadens; mit der eingebauten Kamera lassen sich Fotos hochladen und ein eingebauter Videochat sorgt dafür, dass Kunden sich auch emotional gut aufgehoben fühlen und direkt mit einem Mitarbeiter der esurance alles besprechen können. Alles ohne die App zu verlassen, im Telefonverzeichnis nach Telefonnummern suchen zu müssen, etc.

esurance all-in-one-App Kundenservice Lösung

esurance all-in-one-App Kundenservice Lösung

Bei allen Multikanal-Konzepten ist daher zwingend die Synchronisierung der einzelnen Medien und Kontaktpunkte zu beachten. Wenn ein Kunde ein E-Mail schreibt und am nächsten Tag anruft, weil er noch keine Antwort erhalten hat, dann müssen die Interaktionen mit dem Kunden synchronisiert werden. D.h.: die Kontakthistorie muss hinterlegt sein. Und es heisst auch, dass die Inhalte und Aussagen an allen Kontaktpunkten identisch sein müssen. Widersprüchliche Aussagen, Medienbrüche, Einbahnstraßen im Multikanal-Management nerven den Kunden. Multikanal Konzepte sind nur so gut, wie sie den Kunden einen Nutzen bieten. Ein neue Software ist unter Umständen schnell installiert; das Anpassen der Prozesse, das Hinterfragen der Technologien, die Synchronisation brauchen Zeit. Nur dann lässt sich eine wirksame Kundenservice-Strategie umsetzen.

Weitere Infos zum Dienstleistungsangebot Kundenservice von Marketing Resultant gibt es hier.

 

 

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